ELEMENT OF CRIME – Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin (Original Soundtrack)


Foto-© Noel Richter

Wenn wir sitzen könnten, stehen wir nie wieder auf
nur wer sich bewegt, fällt jetzt nicht um
nicht schlimm, wenn wir heut’ blind sind,
nur stumm woll’n wir nicht sein.

Wir müssen lauter schrei’n
denn sonst hört man uns kaum
und dann ist ausgeträumt, der Traum von einem Leben
wie im sonntagnachmittags gezeigten Film.
du weißt schon, was ich sagen will?
ist auch egal,

Denn das Licht der Gaslaternen lässt uns schwindeln
und warm sind die Nächte in Berlin.
wir taumeln durch die Straßen, so als wär’n wir jung und schön.

(Element Of Crime – Jung und schön)

Bei jeder anderen Band würde man wohl von einem “Ritterschlag” oder zumindest von der “allerhöchsten Ehre” sprechen, wenn ein Film-Porträt über sie auf die große Leinwand kommt. Bei Element Of Crime, dieser so bodenständigen wie tiefenentspannten Berliner Rock-Institution, kann man sich solche Schwelgereien getrost schenken – so unglamourös, ja lakonisch fällt dieses, wie man so sagt, “abendfüllende Kinowerk” aus. Und das ist verdammt gut so, denn es passt perfekt zur Musik und zur Karriere von Element Of Crime, der (jetzt mal ungeschützt in aller Deutlichkeit) besten deutschsprachigen Songwriter-Band der vergangenen drei bis vier Dekaden. Fast zeitgleich mit dem Dokumentarfilm ist ein Soundtrack zu Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin mit 16 Live-Aufnahmen erschienen.

Kein Geringerer als Charly Hübner, einer der beliebtesten Schauspieler des Landes und zunehmend auch als Regisseur tätig (Wildes Herz von 2017, Sophia, der Tod und ich von 2023), nahm sich der Aufgabe an, diese so herrlich knorrigen Musiker zu porträtieren. Der geniale Texter Sven Regener (Gesang, Gitarre, Trompete), Jakob Ilja (Gitarre) und Richard Pappik (Schlagzeug, Mundharmonika) bilden seit fast 40 Jahren den Kern der “Elements”, wie die Band von ihren vielen Fans liebevoll genannt wird.

Also kommen diese drei mit Würde gereiften Männer hier in unaufgeregten, sympathischen Hübner-Interviews zu Wort, es werden wacklige Bilder aus lange vergangenen Zeiten eingestreut (Regener als junger Wilder!), vor allem aber sieht man die aktuelle Besetzung von Element Of Crime (ergänzt um Markus Runzheimer am Bass, Ekki Busch am Akkordeon und Rainer Theobald an Saxophon und Klarinette) bei der Arbeit – im Konzert.

Oder, besser gesagt: in gleich fünf Konzerten, denn Hübner führte die Band vom 21. bis zum 25. August 2023 durch fünf Berliner Stationen ihrer langen Laufbahn – vom kleinen Privatclub (Kapazität: 200) über das mittelgroße Lido (500), den legendären Kreuzberger Punk-Schuppen SO 36 (800) und den noblen Admiralspalast (1800) bis zur großen Open-Air-Location Zitadelle Spandau (9000). Alle Gigs selbstverständlich, wie eigentlich immer bei Element Of Crime, pickepackevoll ausverkauft – und, dem Song- und Albumtitel zum Trotz, unbeschreiblich herzerwärmend.

Denn diese Band, die Mitte der 80er aus der Underground- und Jazz-Szene der damaligen Mauerstadt hervorkroch, um nach vier englischsprachigen Alben mit fabelhaften deutschen Texten als eine Art Folkrock-Chansonpop-Kombo endlich den verdienten Erfolg einzufahren, ist bei aller Bierruhe und (mittlerweile) Berechenbarkeit ein Live-Phänomen mit perfektem Gespür und großer Liebe für ihr Publikum. “Sie feiern den Moment und aus allen Momenten dieser Liebe, Wärme und Härte entsteht ihre Musik, die Kunst aller Künste, die sie von Bluenote bis Mariachi uns schenken bis der Winter kommt”, schreibt Hübner trefflich in seinen Album-Linernotes.

Der seit Anfang Oktober in ausgewählten Kinos laufende Dokumentarfilm lohnt sich also mit Gewissheit – das Album dazu nicht weniger. Mit Nightmare und Moonlight, beide am zweiten Tag der Berlin-Tour im Lido aufgenommen, tauchen zwei schöne Songs aus der Frühphase der Elements in der Setlist auf, bei Immer nur geliebt singen als Gäste Florian Horwath und Tobias Bamborschke (Isolation Berlin) mit. Ein umjubelter Live-Querschnitt durch gut 30 Jahre deutschsprachiger Musik auf höchstem Niveau, von Geh doch hin und Vier Stunden vor Elbe 1 (1991) bis zu Alles In Ordnung und Morgens um vier (2023).

Melancholisch, urkomisch, sentimental, schnoddrig. Element Of Crime eben. Wunderbare Typen, überragende Band. Mögen sie noch lange so weitermachen.

Element Of Crime – Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin (Original Soundtrack)
VÖ: 27. September 2024, Vertigo
www.element-of-crime.de
www.facebook.com/ElementOfCrime

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Werner Herpell

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