Foto-© Yis Kid
I could tell you were lonely
From the moment you walked in
From the way you had your makeup on
From the way you’d done your hair
From the way you sat down next to me
From the way you ordered your drink
From the moment you put your hand on my knee
I knew I’d have you with ease
Do you come here often?
Do you know how this thing works?
Do you go to bed with a different man every night?
Don’t tell me I’m the first
You must have heard about me
Everyone knows my name
Everyone knows I’m holy
Holy, holy, holy, holy
All the revolutionaries (Holy, holy)
All the Jihadis too (Holy, holy)
‘Round the world, I’m holy (Holy, holy)
(Geordie Greep – Holy, Holy)
“Musik kann so viel mehr sein, als nur zu lernen, das Gleiche zu spielen wie alle anderen. Sie kann alles sein, was man will”, sagt Geordie Greep über die Freiheiten, die er sich für seine erste Soloplatte The New Sound (ein so selbstbewusster wie zutreffender Albumtitel) genommen hat. Und weiter: “Ich finde es seltsam, dem Diktat dessen zu folgen, was sich als das erwiesen hat, was die Leute an einer bestimmten Art von Musik mögen.” Raus aus der Komfortzone – der eigenen, aber auch der des Hörers. So könnte man Greeps Programm definieren, und das nicht zum ersten Mal. Denn der 25-jährige Londoner ist ein notorischer musikalischer Quertreiber.
Als “Experimental-Rock, Math-Rock, Progressive Rock, Jazz Fusion, Noise-Rock, Post-Punk” firmiert laut Wikpedia, was seine Band Black Midi (eigene Schreibweise: black midi) in einer relativ kurzen Lebensspanne auf die Beine stellte (ihr Aggregatzustand schwankt zwischen “aufgelöst” und “unbestimmte Pause”). Die Hilflosigkeit bei der Genre-Zuweisung hat schon hier mit dem in viele, ja fast alle Richtungen offenen, unberechenbaren Band-Sound von Greep (Gesang, Gitarre, Piano, Synthesizer), Cameron Picton (Bass, Synthesizer, Flöte, Gitarre, Gesang) und Morgan Simpson (Schlagzeug) auf drei gemeinsamen Studioplatten seit 2017 zu tun.
Wenn nun der Black-Midi-Frontmann mit einem Debüt-Soloalbum antritt, ist ihm gespannte Aufmerksamkeit schon mal sicher. Und Geordie Greep enttäuscht die Erwartungen mit The New Sound nicht: Dass allein die ersten vier der elf Tracks munter zwischen einem wortreichen Nick “Grinderman” Cave mit White Denim als Backing-Band (Blues), Crooner-Brasil-Pop à la Marcus Valle (Terra), den theatralischsten Rock-Epen der Associates (Holy, Holy) und dem groovingen Jazz-Funk von Steely Dan (das Instrumental The New Sound) hin und her springen, sagt schon einiges über den Kessel Buntes, den der junge, hochtalentierte Brite hier zusammenrührt.
Zugegeben: Wie schon bei Black Midi ist es auch bei Geordie Greep bisweilen anstrengend, der schieren Masse an tollen Ideen zu folgen – in punkto Hibbeligkeit übertrifft der Songwriter sogar noch Vampire Weekend, die mit Only God Was Above Us dieses Jahr den Hyperactive-Artpop-Vogel abschossen (und damit eines der besten Alben des Jahres vorlegten). Den vom Label Rough Trade behaupteten “Spagat zwischen Lächerlichkeit und Brillanz” meistert Greep indes souverän.
In Through The War etwa klingt er wie ein postmoderner Jazz-Crooner, der mit großer Orchester-Begleitung stets weiß, was er tut, auch wenn man als Hörer kaum hinterher kommt. Großes Schräg-Pop-Kino, oder eher ein Mini-Musical (wie später auch As If Waltz). Und dann erst Motorbike, das zwischen Gitarren-(Hard-)Rock und Free-Jazz unterwegs ist. Das gut zwölfminütige The Magician beginnt als Cinemascope-Piano-Torchsong magisch – und wird schließlich manisch, zu Prog-Rock wie von Peter Hammills Van Der Graaf Generator, einem Greep-Vorbild (bezeichnenderweise neben Nat King Cole). Der Closer If You Are But A Dream ist denn auch, na klar, eine größenwahnsinnige Broadway-Ballade. Klingt irre, ist irre.
Bei The New Sound hatte er “zum ersten Mal niemanden, dem ich Rechenschaft ablegen musste”, freut sich Geordie Greep. “Und bei jedem Impuls, den ich hatte, konnte ich ihn vollständig bis zum Ende durchziehen.” Dass das nicht so einfach ist, wenn man zwar etliche Instrumente selbst spielt, aber schon für die fetten Orchester – und Bläser-Arrangements viel Personal braucht, kann man sich vorstellen. Über 30 Studiomusiker auf zwei Kontinenten waren an der Entstehung des schwindelerregenden “neuen Sounds” beteiligt.
“Die Tracks beginnen und enden oft mit einem Knall, nie mit einem Wimmern oder einem Fade-out”, schreibt das sichtlich stolze Label über diese gewaltige Kreativ-Explosion von Album. Vielleicht hat man seit den leider verschollenen Guillemots und ihrem Meisterwerk Through The Windowpane (2006) sowie dem monströs guten Avatars Of Love des Norwegers Sondre Lerche (2022) im Indie-Pop nichts vergleichbar unterhaltsam Abgedrehtes mehr gehört. Das Debüt von Geordie Greep “in seiner Gesamtheit aufzunehmen, kann sich anfühlen, als würde man versuchen, den Piccadilly Circus nach einem Schwächeanfall zu überqueren”, so Rough Trade weiter. Viel Vergnügen dabei – aber bitte auch Vorsicht: Das ist ein wilder Ritt.
Geordie Greep – The New Sound
VÖ: 04. Oktober 2024, Rough Trade Records
www.geordiegreep.com
www.facebook.com/geordie.greep
Geordie Greep Tour:
05.12.2024 Berlin, Lido