NAIMA BOCK – Below A Massive Dark Land


Foto-© El Hardwick

Hey, look how it’s worked out
See how I break seven times more than you
For every heart I ripped out
I’m in pain I’m paying my dues

(Naima Bock – Feed My Release)

Schnell ist man drin im Grundgefühl. In Gentle offenbart Naima Bock, wie zart, zerbrechlich, unsicher, vielleicht schüchtern sie ist. Nun realisiert sie, dass sie sich nicht schämen muss: „You want me to stay young / I pray that I stay gentle, fragile.“ Sie schreit nichts aus sich heraus, wirkt natürlich und ehrlich, will nicht perfekt klingen. Wenn Bläser und Streicher hinzustoßen, ist es kein bombastischer Akt. Alles klingt ästhetisch, von den Harmonien her fast wie bei einem Burt Bacharach.

Zwischenzeitlich sah es nicht so aus, dass es so kommen könnte. Naima war Gründungsmitglied von Goat Girl, hielt es in der Band aber nur ein Album lang aus. 2019, nach ihrem Ausstieg, war sie noch nicht mal 20 Jahre alt. In der Zeit gingen ihr andere Dinge durch den Kopf, sie studierte Archäologie und arbeitete als Gärtnerin. Ganz wandte sie sich nicht von der Musik ab. Sie schloss sich der Folk-Band Broadside Hacks an und wechselte im Selbststudium vom Bass auf Gitarre und Geige. Im Dezember 2021 debütierte sie solo mit 30 Degrees beim amerikanischen Label Sub Pop. Sofort verfiel man dem Charme ihrer warm und wahr anmutenden Stimme. So in etwa hätte Nico geklungen, wenn sie sich auf Astrud Gilberto eingelassen hätte. Der Vergleich bietet sich an, weil Naima Tochter eines Brasilianers ist und zum Teil in Papas Heimat aufwuchs.

Passend zur Herkunft endete Naimas erstes Album Giant Palm mit einer Version von Antônio Carlos Jobims O Morro. Bossa Nova und Jazz sind dieses Mal nicht vertreten, auch kam es nicht zur Neuauflage der Zusammenarbeit mit Arrangeur Joel Burton. Trotzdem ist der Übergang zu Below A Massive Dark Land fließend, weil Naima Dreh- und Angelpunkt ist. Am Anfang entwickelte sie die Rohgerüste der Songs im Hausschuppen der Großmutter im Süden Londons, allein mit ihren Gedanken. In My Sweet Body geht es spartanisch zu, Gitarre und Geige kommen vor, ein hochprivater Text über den Zustand der Physis nimmt gefangen. Die persönliche Art zieht sich auch sehr durch die von Trennungsschmerz gezeichneten Songs Lines und Star.

Nachdem sie die Grundbausteine beisammen hatte, nahm Naima Kontakt mit den Produzenten Jack Ogborne und Joe Jones auf, die aus Bristol stammen. Sie haben alles rund gemacht und Naima ermuntert, das Ungewohnte zuzulassen. Ein Bläsersatz macht Kaley memorabel. In Feed My Release hört man Meitar Wegman am Saxofon, er gehört mit zur Band, mit der Naima auf Tour geht. Age ist ein anderer Höhepunkt, hier gipfelt alles in wunderbarem Chorgesang, mit dem die Sängerin den Tücken des Lebensalters trotzt („And in your age your mind it rolled away, and in your mind your twenties never went away.“). Die Familienbande spielt auch eine Rolle. Naima machte in Griechenland Urlaub, dem Heimatland ihrer Mutter. Sie tat es ohne Instrument im Gepäck. Ein paar Tage später endete die Zwangsabstinenz mit dem Kauf einer kleinen Bouzouki, sie kann man in Further Away hören.

Below A Massive Dark Land ist keine Platte für den schnellen Flash. Man muss sich hinsetzen und alles in Ruhe auf sich einwirken lassen, bevorzugt zu später Stunde. Es ist eine klassische Herbstplatte, zu der das Knistern des Kamins als Begleitgeräusch gehört. Dann spürt man, wie die Melancholie in Naima glüht. Aber die Frau versackt nicht in Trauer. Sie erhebt sich über dem dunklen Raum, der sich unter ihr befindet. Das zeigt sich besonders in Takes One. Someday you’ll find another love, resümiert sie siegessicher. Mit dieser Zuversicht zieht sie das Publikum auf ihre Seite. Man will nicht mehr weg von einem Album, das die tiefsten Poren der Eingeweide erreicht.

Naima Bock – Below A Massive Dark Land
VÖ 27. September 2024, Sub Pop
www.naimabock.com
www.facebook.com/naimabockmusic

Naima Bock Tour:
06.12.24 Pop Bar, Haldern
07.12.24 Nachtasyl, Hamburg
08.12.24 Neue Zukunft, Berlin
10.12.24 Subway, Köln

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