THE THE – Ensoulment


Foto-© Gerald Jenkins

Servile, surveilled
Dumbed down, curtailed
Screengrabbed, downranked
Untagged, debanked

Nothing to hide, nothing to fear
No one to censor, no one to smear
The revolution’s been authorised
The future privatised

The consensus created
Reality curated
Every place you thought you belonged
Everything you thought you knew is wrong

Left is right, black is white
Inside out, hope is doubt
Back to front, the witches hunt

(The The – Cognitive Dissident)

Keine Frage: Wer die besten Eighties-Alben auflistet, kommt an Soul Mining kaum vorbei. Wie Matt Johnson, der die Platte 1983 unter dem ironischen, schon vor Google-Zeiten sperrigen Projektnamen The The veröffentlichte, hier Postpunk, Underground-Noise, Blues, New Wave, Electro-Pop und Gitarren-Rock mixte, war so unerhört eigen und modern, dass es noch heute fasziniert. Spätestens beim fiebrigen, perlenden Piano-Solo von Jools Holland im Track Uncertain Smile war eigentlich klar, dass ein kommender Superstar der britischen Rockmusik die Bühne betreten hatte.

Ganz so kam es dann nicht, auch wenn die 1979 gegründeten The The mit den teils stark politisch-polemisch aufgeladenen Nachfolge-Werken Infected (1986), Mind Bomb (1989) und Dusk (1993) durchaus große Erfolge bei den Kritikern erzielten und auch recht weit oben in den Charts landeten. Mit dem Cover-Album Hanky Panky (1995) und NakedSelf (2000) sank der Stern des notorisch pessimistisch klingenden Johnson, der irgendwann als Sänger/Songschreiber fast völlig verstummte und nur noch instrumentale (Soundtrack-) Arbeiten vorlegte.

Mit The Comeback Special (Live At The Royal Albert Hall) von 2021 bewiesen The The immerhin ihre ungebrochenen Bühnenqualitäten, und ein Comeback war damit ja auch bereits quasi eingetütet. Jetzt ist es soweit, und es ist großartig – angefangen beim sinister groovenden, aufmüpfigen Cognitive Dissident bis zum fast schon gospeligen Closer A Rainy Day In May. Nicht nur im Albumtitel knüpft Ensoulment bei Soul Mining an, sondern auch mit den Stimmungen und der musikalischen Qualität der insgesamt zwölf neuen Songs.

Johnson, mittlerweile 63, raunt und croont immer noch geheimnisvoll im sonoren Bariton, die Soundkulissen sind weiterhin schön düster, die derzeitigen Begleiter (Barrie Cadogan an der Gitarre, Earl Harvin am Schlagzeug, James Eller am Bass und DC Collard an den Keys) selbstverständlich exquisit. Wo früher prominente Gastmusiker wie der eingangs erwähnte Jools Holland, Neneh Cherry, Sinead O’Connor oder Johnny Marr (The Smiths) bei The The für Aufsehen sorgten, dominiert jetzt eine kompakte Band, die gelegentlich durch Backing-Vocals von Gillian Glover und jazzige Bläser-Arrangements von Terry Edwards ergänzt wird.

Die Platte sei “unter sehr glücklichen Umständen entstanden”, sagt Johnson zufrieden. “Mit einer großartigen Stimmung zwischen der Band und all den Leuten, die daran gearbeitet haben. Es wurde viel nachgedacht, viel gearbeitet, viel geliebt und viel gelacht!“ Einer der besten Ensoulment-Tracks ist Where Do We Go When We Die?, eine verschattete, nach den letzten Dingen fragende Ballade – und man vermutet, dass Johnson weiterhin kein unbeschwerter Mensch ist. Dennoch, so der Sänger kürzlich im Independent-Interview, sei er inzwischen eigentlich eher optimistisch. Todesfälle in seiner Familie hätten ihn “erweicht”, er habe mehr Vertrauen in die menschliche Natur und mehr Hoffnung für die Welt als seine Lieder es vermuten ließen.

Schön, dass es Matt Johnson, diesem großen Individualisten des britischen Wave-Pop der 80er- und 90er-Jahre, einigermaßen gut geht. Hoffentlich bleibt er nun produktiv – denn wir können künftig noch weitere tolle Alben wie Ensoulment gebrauchen.

The The – Ensoulment
VÖ: 06. September 2024, Cineola
www.thethe.com
www.facebook.com/officialthethe

The The auf Tour:
17.09.2024 Berlin, Huxleys
18.09.2024 Köln, Carlswerk Victoria

YouTube video

Werner Herpell

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