WARHAUS – Karaoke Moon


Foto-© Label

I am 35 and I’m very much alive
I mean Jim Morrison was just a little kid when he died
There’s the story of Icarus and his fall
And something follows me around that connects me to it all

I get the feeling it’s growing stronger lately
I tried to hose it down
With the whitest paint of all
But this shadow of mine still drives me crazy
Standing dark and threateningly erect against the wall

It takes a man to love you baby
It takes a man to love you baby

(Warhaus – Jim Morrison)

Auf den Doors-Sänger Jim Morrison verweist Maarten Devoldere alias Warhaus im eingangs zitierten Lied seines neuen Albums schon im Titel (und singt darin entsprechend dunkel dräuende Textzeilen). Auch andere Düstermänner der Musikgeschichte kommen dem Hörer in den Sinn beim Hören von Karaoke Moon, der vierten Platte unter Devolderes Moniker Warhaus seit 2016: Serge Gainsbourg etwa, Leonard Cohen, Nick Cave, Benjamin Biolay, Stuart Staples von den Tindersticks. Und – na klar, denkt man dann irgendwann – aus Belgien stammt das Ganze natürlich auch mal wieder.

Neben all den mehr oder weniger stimmigen Belgien-Klischees – Pommes Frites, Pralinen in Muschelform, mittelmäßiges Bier, tolle Comics wie Tim und Struppi, fantastische Malerei von René Magritte oder James Ensor – gibt es auch für Pop und Rock aus unserem westlichen Nachbarland gewisse Stereotypen. Zum Beispiel, dass die männlichen Sänger allesamt melancholisch bis weltmüde rüberkommen und für diese Stimmungslage auf beeindruckend klangvolle Bariton-Stimmen zurückgreifen können. In diesem Fall muss man sogar sagen: Das Klischee passt.

Jacques Brel, Arno, Tom Barman (dEUS), James de Graef (Loverman) – und jetzt, zum wiederholten Mal, eben jener Maarten Devoldere alias Warhaus. Zwei Jahre nach dem sehr positiv aufgenommenen Singer-Songwriter-Album Ha Ha Heartbreak meldet sich der bekannteste Musiker der auch international renommierten Genter Band Balthazar mit einem Werk zurück, das seinen guten Ruf als Pop-Noir-Chansonnier bestätigt. Immer klarer wird jetzt: Was den Amerikanern ihr Father John Misty, den Australiern und Briten ihr Nick Cave, den Iren ihr Gavin Friday, ist den Belgiern ihr schwermütiger Warhaus-Troubador.

Das Cover-Artwork von Karaoke Moon lässt Devoldere zwar mit hochgerollten Hemdsärmeln noch recht fröhlich unter einem weiten Himmel durch die Gegend radeln – aber graue Wolken verdunkeln bereits unübersehbar das optimistische Blau. Auch die Lieder dieser Platte leuchten die dunkleren Gefilde des Lebens und der Liebe aus. So wie schon beim Vorgänger, der sich einem tief empfundenen Herzschmerz des Sängers widmete, ist die Stimmung eher verschattet, die Atmosphäre latent pessimistisch.

Während Devoldere anfangs noch in einer Art Sprechgesang mehr rappt als croont (Where The Names Are Real, Jim Morrison), klingt seine Stimme im Laufe der zehn Albumtracks immer wärmer und auch resignierter, bis zum grandiosen Closer Emely. Produktionstechnisch sind die Songs erneut großes Kino, mit Chören, Streichern, Orgeln, gedämpftem Piano, jazzigem Standbass und diversen anderen Soundeffekten, die den Melancholie-Faktor in die Höhe treiben.

Über den Entstehungsprozess von Karaoke Moon berichtet das Warhaus-Label Play It Again Sam (PIAS): “Nach zwei Jahren disziplinierter, mönchischer Arbeit hatte Devoldere mehr als 50 Songs im Regal stehen. Und was hat der Produzent gesagt, nachdem er die Demos gehört hat? ‘Du kannst es besser, Maarten! Tiefer, überraschender, neugieriger.’ Vor zehn Jahren hätte Devoldere das wohl nicht akzeptiert, aber mit der Zeit hat er gelernt, dass es sich auszahlt, den richtigen Leuten zu vertrauen.” Mit “den richtigen Leuten” ist unter anderem Jasper Maekelberg gemeint. In einem Dachbodenstudio in Brügge bastelten die beiden Musiker ein Album zusammen, das die Belgien-Pop-Klischees aufs Schönste bestätigt. In diese Dunkelheit lässt man sich gern runterziehen.

Warhaus – Karaoke Moon
VÖ: 22. November 2024, Play It Again Sam (PIAS)
www.warhaus.ochre.store
www.facebook.com/warhausmusic

Warhaus Tour:
20.03.25 Köln, Gloria
22.03.25 Hamburg, Mojo Club
24.03.25 Berlin, Huxleys

YouTube Video

Werner Herpell

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