Foto-© Paul Kelly
When you were young
times we had, things you said
times we had, things you said
they are still in my head
When you were young
sometimes you cried, not showed why
sometimes you cried, not showed why
the time flies by
I’m always loving you
I’m always loving you…
(Saint Etienne – When You Were Young)
Überraschung! Nicht nur, dass Saint Etienne Mitte Dezember – quasi als Release-Nachzügler am VÖ-intensiven Jahresende – mit The Night ziemlich kurzfristig ein neues Album rausbringen. Sondern auch, was für ein Album das ist: Vielleicht das ruhigste, zarteste, entspannteste, untanzbarste in der rund 35-jährigen Geschichte des Londoner (Electro-)Pop-Trios, das nach einer französischen Stadt beziehungsweise deren zeitweise berühmtem Fußballclub benannt ist. Saint Etienne go Ambient gewissermaßen.
Das tun sie mit fragilen Klanggespinsten, die man nicht immer Songs nennen mag (eher Soundflächen), gesprochenen oder instrumentalen Passagen und “Found Sound”-Schnipseln, aber auch manchen wunderhübschen Melodien, wie von den Keyboardern Bob Stanley und Pete Wiggs sowie der wunderbaren Sängerin Sarah Cracknell dann letztlich doch gewohnt. Das wärmt Herz und Seele in kalten Tagen, und es erinnert daran, dass man das mindestens ebenso kongenial in diese Jahreszeit passende Album 50 Words For Snow (2011) von Kate Bush unbedingt mal wieder hören sollte. Oder auch das herrlich versponnene Secrets Of The Beehive (1987) von David Sylvian. Der Effekt ist ganz ähnlich.
Als Nachfolger des 2021er Albums I’ve Been Trying To Tell You bieten die 14 neuen Saint-Etienne-Tracks Optionen für “eine Flucht aus dem Chaos des täglichen Lebens”, schreibt das Label Heavenly zutreffend. Ein bisschen Eskapismus ist also im Spiel, wenn uns Sarah Cracknell mit ihrer sanften Stimme in ein nächtliches Winterwunderland entführt. Vom einladenden Instrumental/Spoken-Word-Opener Settle In über das berührend zärtliche When You Were Young bis zum traumhaften Ambient-Jazz von Alone Together führt die akustische Reise – vergleichbar mit einer weichen Kuscheldecke oder einem warmen Duftbad.
“A calming album, warm and serene” war laut Bob Stanley das Ziel von The Night, das zwischen Januar und August 2024 zusammen mit dem Komponisten und Produzenten Augustin Bousfield eingespielt wurde. “We wanted to continue the mellow and spacey mood of the last album, perhaps even double down on it, but it’s a very different album, not based on samples”, sagt Pete Wiggs. “Songs, moods and spoken pieces drift in and out whilst rain pours down outside. It’s the kind of record I like to listen to in the dark or with my eyes closed.” Und Frontfrau Sarah Cracknell erinnert sich sehr gern an die Studio-Atmosphäre, besonders im Kontrast zu den Pandemie-Beschränkungen beim Vorgängerwerk: “It was so good to be back in the studio together after recording the last album remotely.”
Mit The Night beweisen Saint Etienne eindrucksvoll, dass ihnen auch nach so vielen gemeinsamen Jahren die Sound-Ideen und die melodischen Inspirationen nicht ausgehen. “You could think of it as one continuous, single track. It’s definitely a headphone album”, sagt Bob Stanley. Schön altmodisch irgendwie in Spotify-Zeiten. Aber es lohnt sich.
Saint Etienne – The Night
VÖ: 13. Dezember 2024, Heavenly Recordings
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