Foto-© Sanne Peper
Last chance to be a boy
Last chance to explore
Only ’round the river bend to discover
There won’t be time to round another
Coming apocalypse
Gonna get in line but I don’t know where it is
(Awkward I – Apocalypse)
Was für eine milde, fast behagliche Apocalypse: Zu einer beatlesken Melodie (im Sinne der Fab-Four-Verehrung eines Elliott Smith auf seinen späten Meisterwerken XO und Figure 8) besingt Djurre de Haan alias Awkward I das Unvorstellbare – und es ist der reinste Seelenbalsam. Ein Muster, das der Musiker aus der niederländischen Stadt Groningen auch in anderen Liedern seines famosen neuen Albums Unalaska konsequent beibehält: Schwere Themen, Melancholie und Absurdität werden in prächtige Melodien verpackt und dadurch so zugänglich präsentiert, dass man sich ihnen ohne die Gefahr tiefer Depressionen nähern kann.
Neben Elliott Smith (leider schon seit über 20 Jahre nicht mehr unter uns, aber als Einfluss und Ansporn für sensible Singer-Songwriter weiterhin sehr gefragt) klingen auch hoch talentierte Smith-Jünger wie Andy Shauf, Sufjan Stevens oder Aiden Berglund (Grimson) in den zwölf zarten, zärtlichen Folkpop-Tracks von Unalaska an. Oder, ebenfalls ganz aktuell, die Musik von Dylan Gardner alias Communicant, dessen 2024er Album Harbor Song hier bei diesem Online-Magazin Ihres Vertrauens auf viel Wohlwollen stieß.
Hat man die ehrenvolle Aufzählung der Referenznamen erstmal hinter sich, wird man schnell warm mit Djurre de Haan, dessen Moniker in etwa mit “Ich bin peinlich” (oder linkisch, oder unangenehm) übersetzt werden kann. Schaut man also etwas genauer auf diesen 43-Jährigen aus dem freundlichen Nachbarland, dann wird klar, dass wir es hier mit einem erfahrenenen, vielfach ausgezeichneten Komponisten zu tun haben, der neben seinem Singer-Songwriter-Langzeitprojekt beim Amsterdamer Label Excelsior Records auch für zahlreiche Film- und Theaterproduktionen verantwortlich ist.
Alle Alben von Awkward I seien “aus der Sehnsucht nach Neuem, nach dem Unbekannten” entstanden, sagt de Haan, die aufschlussreiche Label-PR zitiert dazu den schönen Textauszug “If I knew where I was going I wouldn’t be on board”. Den Albumtitel Unalaska entdeckte der Niederländer passenderweise in einem alten Reisetagebuch, das widersprüchliche Wort hatte für ihn eine magische Anziehungskraft.
Es war der Beginn einer (mit dem epischen Terminal Train endenden) Entdeckungsreise nach innen, stets mit dem gemächlichen Tempo eines Western-Helden: “So I rode into town at the speed of a horse, chewing on dead bird metaphors”, singt Djurre de Haan mit seiner leicht heiseren, bisweilen charmant schlingernden Stimme in Body As A Meadow, einem der schönsten Stücke dieser insgesamt sehr schönen Platte. Mit seinem vierten Album reiht sich “der peinliche Typ” lässig bei den mal mehr, mal weniger berühmten Adepten des großen Elliott Smith ein. Keine geringe Leistung. Unalaska ist damit ein glänzender Start ins Jahr 2025 für Fans von feinem Songwriter-Folk.
Awkward I – Unalaska
VÖ: 10. Januar 2025, Excelsior Records/Cargo
www.facebook.com/AWKWARDi
www.excelsior-recordings.com/en/products/awkward-i-unalaska