Foto–© Maximilian Koenig
They wanna tell you all the things they never saw
Misdirected, it shook you to the core
They’re not saying anything you haven’t heard before
Just the feeling you were trying to ignore
It’s there as soon as you wake up
What a difference it made us, been careless, I know
Eager to grow
Before anything else, I should go
Tell my mother I love her
For the sake of each other
It’s a shamе, but it’s no wonder
We’re whеre we are
(Charlie Cunningham – Core)
Sein Songwriting ist so still und zurückhaltend, seine Stimme so sanft und schüchtern, sein Sound eigentlich unspektakulär – da verwundert es dann doch, dass Charlie Cunningham auch in Deutschland beachtliche Venues füllt. In diesem April sind es unter anderem der Große Saal der Hamburger Laeiszhalle, die Kölner Philharmonie und der Berliner Admiralspalast, die der Brite mit Gesang, Gitarre und Klavier bespielt. Eine Begleitband ist dann angesichts der reduzierten neuen Cunningham-Platte In Light im Prinzip gar nicht nötig, die Zuschauer würden ihren Charlie vermutlich auch solo anhimmeln.
Ein echtes Internet-Phänomen ist dieser 1984 in London geborene Singer-Songwriter, „denn eine knappe halbe Milliarde Streams pflastern seinen Weg und ausverkaufte Konzerte ebenso“, wie ein freundlicher PR-Mensch mir kürzlich, selbst erstaunt, auf den Weg zu dieser Review mitgab. Die immer irgendwie zerbrechlich klingenden, oft ins Falsett driftenden Vocals mögen beim Hörer einen Beschützerinstinkt auslösen, Cunninghams Gitarrenspiel ist gelegentlich vom Flamenco durchdrungen (gut hörbar etwa in Core) und hat dann ein gewisses exotisches Alleinstellungsmerkmal in der englischen Indie-Szene.
Aber ein bisschen schleierhaft bleibt auch mit dem vierten Album dann doch, warum dieser Musiker so viel mehr Erfolg hat als andere talentierte Songwriter mit Gitarre. Was nichts über die Qualität seiner Lieder aussagt, die haben durchaus ihren Reiz. Shape Of Tomorrow etwa ist ein toller Folktronica-Song, auf den auch der hochgeschätzte Conor O’Brien (Villagers) stolz sein würde. Das instrumentale One In A Million ist eine hauchzart-melancholische Piano-Elegie, die verwackelte Schwarz-Weiß-Filmbilder untermalen könnte. Der Opener Happening Lately, This I Know oder das abschließende New Symmetry sind erhaben schwebende, mehr gehauchte als gesungene Balladen – allerdings auch keine Lieder, die man so noch nie gehört hätte im Akustik-Folk-Segment.
Die zehn Tracks von In Light wurden innerhalb weniger Wochen im Londoner Stadtteil Tottenham aufgenommen, alle in einem Take, mit minimaler Nachbarbeitung, wie es vom Label Humming Records heißt. Neben dem Akustikgitarristen, Pianisten und Sänger steuerte Studio-As Leo Abrahams zusätzliche E-Gitarren-Parts bei, die Drums wurden von Liam Hutton eingespielt.
Charlie Cunningham macht also gar nicht erst den Versuch, seine feinen Klanggespinste künstlich aufzupimpen – er bleibt seinem dezent experimentellen Sound treu. Die im Laufe der Jahre, seit der EP Outside Things (2014) und dem Debütalbum Lines (2017) sprunghaft gewachsene Anhängerschaft des Briten kann sich auf ein weiteres schönes Indie-Folk-Werk freuen.
Charlie Cunningham – In Light
VÖ: 14. März 2025, Humming Records
www.charliecunningham.com
www.facebook.com/charliecunninghammusic
Charlie Cunningham Tour:
16.04.25 Frankfurt, Gibson Club
19.04.25 Hamburg, Laeiszhalle (Großer Saal)
21.04.25 München, Muffathalle
22.04.25 Köln, Kölner Philharmonie
23.04.25 Berlin, Admiralspalast
