Foto-© Dana Trippe
Charged up
Had enough power and the drive
Fade in to my choral grin
I am a trumpet and I have arrived
I can make a radio
I can make a radio
I can make a radio
I can make a radio break
(Circuit des Yeux – Canopy of Eden)
Circuit des Yeux steht für eklektischen, transformativen Avantgarde-Pop. Mit ihrer 4-Oktaven-Stimme und ihrer 12-saitigen Gitarre sticht die US-amerikanische Künstlerin Haley Fohr unter ihrem Synonym aus der Masse an zeitgenössischen Releases hervor. Ihr letztes Album -io entstand 2021 unter dem Eindruck der Pandemie; fast vier Jahre später meldet sich die 36-Jährige jetzt mit Halo On The Inside fulminant zurück.
Während der Arbeit an diesem neuen Werk lebte sie allein und verbrachte die Nächte in ihrem Kellerstudio, weswegen sie sich ganz auf sich selbst fokussieren konnte und das Album dementsprechend einen zutiefst introspektiven Ton enthält. Nach einer Griechenland-Reise entwickelte sie Interesse an der Figur des Pan, dem Flöte spielenden Halbgott des Waldes aus der griechischen Mythologie, der für den Kreislauf der Jahreszeiten und für Musik und Tanz steht. Diese Einflüsse sind auch im Artwork des Albums erkennbar sowie an den Themen von Ekstase, Untergang und Wiedergeburt, die sich durch die Songs ziehen. Halo On The Inside ist musikalisch besonders vom Klang der 80er, von Electro und Industrial durchsetzt. Zu hören ist das direkt auf der ersten Single-Auskopplung Megaloner, einem Track, der mit seiner melancholischen Atmosphäre, dichten Sound-Wand aus E-Gitarren und Synths und dem pulsierenden Rhythmus an Depeche Mode, aber auch Lady Gaga oder Nine Inch Nails erinnert. Mit der zweiten Single Canopy of Eden folgt ein düsterer EDM-Hit mit Sirenengesang, der mit der Zeile „I can make a radio/I can make a radio break“ das Programm des Albums vorzugeben scheint, alle Rahmen des Konventionellen sprengen zu wollen. In Skeleton Key mit seinem unheilvollen Synth-Intro sind die Einflüsse von griechischer Musik und Folklore erkennbar, abgerundet mit dem musikalischen Sahnehäubchen eines epischen Gitarren-Solos. Anthem Of Me fährt mit einer fabrikhaften Geräuschkulisse die volle Industrial-Breitseite auf.
Dann macht das Album eine Wende mit dem jazzig-dissonanten Cosmic Joke. Cathexis geht eher in die Richtung klassischer Ballade, arbeitet aber trotzdem mit dämonenhaftem Geflüster. Truth, die dritte Single, ist von der Soundkulisse her etwas minimalistischer und reduzierter, aber trotzdem genauso experimentierfreudig wie der Rest des Albums. Der Song ist poppig und durch den hämmernden Rhythmus und die unterschwelligen, verfremdeten Atemgeräusche fast trance-induzierend. Spannend ist, dass die Sängerin das Album mit der düsteren, lauten, schweren Hälfte an Liedern beginnt und die späteren Songs leichter und zugänglicher werden, da Longplayer meist andersrum aufgebaut werden, um das Publikum nicht abzuschrecken. Allerdings sind auch die hymnischen und erhebenden Tracks wie Organ Bed immer noch sehr experimentell. Fohr beendet das Album mit einem atmosphärischen Breather, It Takes My Pain Away, wobei der Name Programm ist, weil damit auch die Zuhörenden wieder in die Realität entlassen werden von der düsteren und emotional anspruchsvollen Reise ins Innere einer wagemutigen, experimentierfreudigen und einzigartigen Künstlerin.
Mit Halo On The Inside hat sie ein zutiefst persönliches Album geschaffen, das durch die abstrakten und metaphorisch-rätselhaften Lyrics immer noch wie ein Chiffre wirkt. -io war opulent und orchestral; damit hatte die Singer-Songwriterin ihre Flügel ausgebreitet, hier zieht sie sich eher zurück und gleichsam auf ihren innersten Punkt zusammen, büßt dabei aber keinesfalls an Ausdruckskraft ein.
Circuit des Yeux – Halo On The Inside
VÖ: 14. März 2025, Matador Records
www.circuitdesyeux.com
www.facebook.com/CircuitdesYeux
Circuit des Yeux live:
08.05.25 Kantine am Berghain, Berlin
