Foto-© Pak Bae
Orlando in love
Writes 69 cantos
For melancholy brunettes and sad women
The breeze carries salt
And sipping milky broth
He cast his gaze towards the sea out the Winnebago
(Japanese Breakfast – Orlando In Love)
Der Name des Bandprojekts von Michelle Zauner klingt ja zunächst rätselhaft. Abgesehen davon, dass die US-Musikerin 1989 in Seoul geboren wurde und damit koreanische Wurzeln hat (also keine japanischen) – was hat es bloß mit diesem Moniker auf sich? Die Begründung ist, wie so oft, banal: Zauner kam darauf, nachdem sie ein GIF eines japanischen Frühstücks gesehen und gedacht hatte, der Begriff könnte doch für Amerikaner irgendwie hübsch exotisch sein.
Zum Glück gibt es längst bessere Gründe, sich über Japanese Breakfast Gedanken zu machen. Zum Beispiel die tolle Musik der im liberalen US-Bundesstaat Oregon aufgewachsenen Sängerin und Gitarristin. Die ist auf dem neuen Album For Melancholy Brunettes (& Sad Women) nämlich spannender als je zuvor. Was durchaus etwas heißen will angesichts eines Vorgängerwerks namens Jubilee, das vor drei Jahren mehrere Grammy-Nominierungen einheimste.
Produziert von Studiozauberer Blake Mills, der auch schon Bob Dylan, Dawes, Perfume Genius oder Fiona Apple betreut hat und selbst ein herausragender Gitarrist und Songwriter ist, wurde die vierte Japanese-Breakfast-Platte im legendären Sound City von Los Angeles aufgenommen, wo schon Klassiker wie Neil Youngs After The Gold Rush oder Nirvanas Nevermind entstanden. Wie der Albumtitel andeutet, erkundet Zauner in den meisten der zehn Lieder „das fruchtbare Feld der Melancholie, das seit langem als psychischer Zustand von Dichtern auf der Schwelle zur Inspiration gilt“, wie ihr Label Dead Oceans mitteilt.
Nach dem Erfolg von Jubilee und ihrem autobiografischen Buch-Bestseller Crying In H Mart (auf Deutsch als Tränen im Asia-Markt im Ullstein Verlag erschienen) war es für Zauner vermutlich gar nicht so einfach, sich wieder aufs Songschreiben zu konzentrieren. „Ich fühlte mich verführt, indem ich bekam, was ich immer wollte“, sagt sie. „Ich flog zu nah an die Sonne heran, und mir wurde klar, dass ich sterben würde, wenn ich weiterflöge.“ Das Ikarus-Motiv halt.
Auf dem Album For Melancholy Brunettes (& Sad Women) spiegelt sich diese Thematik – die Gefahren des Begehrens – in einer Reihe wunderschön melodischer Artpop-Songs, die abwechselnd an Feist, Kate Bush, Aimee Mann oder Joanna Newsom erinnern. Der Opener Here Is Someone mit Harfe, Gitarre und Mellotron evoziert prachtvolle Sixties-Folk-Vibes, das bereits als Single-Teaser vorab ausgekoppelte Orlando In Love nimmt diese verträumte Stimmung in einer Cinemascope-Produktion auf.
Mit Honey Water wird der Sound plötzlich zur Wall, ufert wuchtig aus, mit rauen, dröhnenden, zerrenden Gitarren, die Zauners gehauchte Vocals reizvoll kontrastieren. Japanese Breakfast schildern hier „die stille Wut einer Frau, die mit einem untreuen Mann verheiratet ist und zusieht, wie er immer wieder der Lust erliegt – wie ein primitives Insekt, das seinem eigenen Untergang entgegenwirkt“, so beschreibt das Label diesen fabelhaften Dreampop/Shoegaze-Track. Mega Circuit hat dagegen eine fast sommerliche Leichtigkeit – ein lässiger Popsong, für den Taylor Swift töten würde.
Wer jetzt bereits den Eindruck gewonnen hat, dass Japanese Breakfast ein Album ohne Fehltritt und ohne Füllmaterial vorlegen – genauso ist es. Die Akustikgitarren-Ballade Little Girl und das funkelnde Barock-Pop-Juwel Leda ziehen bei aller Melancholie nicht runter, zumal mit Picture Window als Anti-Depressivum schnell ein Uptempo-Track im 90s-Stil der schon erwähnten Aimee Mann folgt. Ein weiteres Highlight ist der gegen den Strich gebürstete Country-Song Men In Bars, den Zauer mit Schauspiel-Gott Jeff „The Big Lebowski“ Bridges (75) im wunderbar gegensätzlichen Hell-Heiser-Duett performt.
Winter in LA kombiniert Sixties-Pop à la Burt Bacharach mit einem opulenten Soul-Arrangement, das Ergebnis: ein traumhaft geschmackssicherer Retro-Song. Magic Mountain zum Abschluss ist genau das – magisch. Und wiederum ganz schön schwermütig, schließlich geht’s im Closer eines Albums voller kluger literarischer Anspielungen um Thomas Manns berühmten Zauberberg. Für Michelle Zauner ein sehr persönliches Lied „über die Auseinandersetzung mit dem Narzissmus, der mit dem Künstlerdasein einhergeht, und die Entscheidung, nicht zuzulassen, dass er meine Fähigkeit, ein glückliches Leben zu führen, zerstört“.
Von dieser Seite eine klare Sache: Höchstnote!
Japanese Breakfast – For Melancholy Brunettes (& Sad Women)
VÖ: 21. März 2025, Dead Oceans
www.japanesebreakfast.rocks
www.facebook.com/japanesebreakfast
