Foto-© 20th Century Studios DE
Whatever it is they don’t want me to be.
(Bob Dylan – Like a Complete Unknown)
New York in den frühen 1960er Jahren: Ein junger Mann (Timothée Chalamet), gerade 19 Jahre alt, trampt von Minnesota in die Metropole, um sich an einer Karriere als Musiker zu versuchen. Er trifft sein Idol, den Folksänger und Songwriter Woody Guthrie (Scoot McNairy), der an einer unheilbaren Krankheit leidet, und spielt ihm einen Song vor, in dem er seine Bewunderung ausdrückt. Ein enger persönlicher Freund Guthries, der Sänger Pete Seeger (Edward Norton), hört das Lied und ist so beeindruckt, dass er dem 19-Jährigen anbietet, bei seiner Familie unterzukommen und ihn zu fördern, bis er in der Szene der Folk Musik Fuß fassen kann. Wer ist dieser junge Mann? Bob Dylan.
Das Biopic Like A Complete Unknown von Regisseur James Mangold (Walk The Line, Logan) zeichnet die frühen Jahre Bob Dylans nach, von seinen Anfängen bis zu seinem umstrittenen Wechsel zur elektrischen Gitarre beim Newport Folk Festival 1965. Dabei spielen auch Dylans komplizierte Liebesbeziehungen zu Sylvie Russo (Elle Fanning) und zur Folksängerin Joan Baez (Monica Barbaro) eine große Rolle.
Sich Bob Dylan zu nähern, ist kein einfaches Unterfangen. Er hat eine über sechzigjährige Karriere mit einem extrem umfangreichen Werk von über dreißig Studioalben und einem Literatur-Nobelpreis hinter sich; gleichzeitig hält er sein Privatleben immer noch vehement unter Verschluss. Trotz seiner Reichweite und seines massiven Einflusses auf die Musik- und Kulturgeschichte ist er als öffentliche Figur so opak und undurchschaubar, dass im ersten Dylan-Biopic I’m Not There 2007 seine Person noch in sechs Charaktere mit unterschiedlichen Schauspieler*innen aufgeteilt wurde, um seine komplexen Facetten zu beleuchten. Beide Filmtitel verweisen auch auf seine Ungreifbarkeit; Bob Dylan als ein Unbekannter, der sich hinter seiner Sonnenbrille versteckt.
Der Film bietet daher zuerst auch viele Biopic-Klischees: bescheidene Anfänge, turbulente Liebesbeziehungen, der Künstler, der nach seinen ersten Erfolgen mit der Erwartungshaltung des Publikums kämpft und sich gegen seine kommerzielle Vereinnahmung wehrt, Plattenbosse, die vor allem Geld verdienen wollen, als Gegenspieler der Kreativität. Trotzdem ist Like A Complete Unknown atmosphärisch sehr überzeugend. Szenenbild und Kleidung tragen zu einem gelungenen Zeitreise-Feeling bei, und Bob Dylans Musik entfaltet ihre Kraft auch im Medium Film und versetzt einen in die 1960er Jahre zurück.
Die stimmliche Arbeit von Timothée Chalamet ist dabei besonders stark; man merkt, dass er sich monatelang akribisch auf diese Rolle vorbereitet hat. Auch Monica Barbaro verkörpert Joan Baez sehr treffend und bringt eine warme Präsenz in den Film, die der rätselhaften Charakterzeichnung von Bob Dylan fehlt.
Möglicherweise ist das auch so beabsichtigt: Nicht Dylan als Person, sondern seine Songs, Texte und deren Wirkung auf das Publikum stehen im Vordergrund. An die Figur Bob Dylan kommt man als Zuschauer*in nicht wirklich emotional heran. Er bleibt unnahbar, auch in seinen Beziehungen
und seinen Beweggründen, warum er überhaupt Musik machen und in der Folk-Szene groß werden will. Vielleicht ist diese distanzierte Darstellung genauso gewollt, die sich in dem Zitat ausdrückt, als Dylan gefragt wird, wer oder was er denn sein möchte: „Whatever it is they don’t want me to be“, was immer er nicht sein soll. Deswegen ist vermutlich das Newport Festival und sein Wechsel zur elektrischen Gitarre auch der emotionale Höhepunkt des Films, ein Ereignis, bei dem Bob Dylan absolut nicht das getan hat, was die Welt von ihm wollte, und dafür ausgebuht und kritisiert wurde.
Like A Complete Unknown ist handwerklich solide und unterhaltsam, aber man geht nicht mit dem Gefühl aus dem Kino, wirklich etwas über Bob Dylan gelernt zu haben. Er bleibt enigmatisch, und wahrscheinlich ist das ganz im Sinne des echten Bob Dylan.
Like A Complete Unknown (USA 2025)
Regie: James Mangold
Darsteller: Timothée Chalamet, Edward Norton, Elle Fanning, Monica Barbaro, Boyd Holbrook, Dan Fogler, Norbert Leo Butz
Kinostart: 27. Februar 2025, 20th Century Studios DE
