Foto–© Shervin Lainez
But if we never talk about it again
There’s something I want you to understand
You’re a big deal
You’re a big deal
You’re a big deal
You’re a big deal
(Lucy Dacus – Big Deal)
“You’re a big deal”. Ein einfacher Satz, aber wenn Lucy Dacus ihn in der zweiten Albumnummer Big Deal singt, geht er direkt ins Herz. Denn wie so oft in ihren Songs steckt die größte Wucht in der scheinbaren Beiläufigkeit. Nach dem kurzen Streicher-Opener Calliope Prelude ist dieser Song eine erste Offenbarung: über Zärtlichkeit, Nähe und das Staunen darüber, wie sich das eigene Leben im Licht der Liebe neu zusammensetzt.
Dacus’ viertes Studioalbum Forever Is A Feeling knüpft da an, wo Home Video 2021 aufhörte – aber diesmal schaut sie nicht zurück, sondern mitten hinein ins Chaos des Erwachsenenlebens. In 13 Songs, mal verspielt, mal tieftraurig, mal schwelgerisch, beschreibt sie queere Begehren, Vergänglichkeit, Körperlichkeit und das Gefühl von Ewigkeit, das manchmal nur ein Moment ist. “So bite me on the shoulder / pull my hair“, heißt es in Ankles, einer der Vorabtracks, der mit stakkatoartigen Streichern, glitzernden Gitarren und hymnischem Refrain zwischen Bedroom-Pop und Coldplays Life in Technicolor II schwebt.
Auch stilistisch zeigt sich Lucy Dacus offener denn je: Limerence ist ein verträumter Chanson mit Cocktailbar-Klavier, 60er-Charme und jazzigen Wasserfall-Arpeggio, dessen orchestrale Wärme durch Grammophon-artige Streicher gebrochen wird. Best Guess dagegen ist eine leise queere Hymne über Unsicherheit und Nähe, mit einer fast zerbrechlichen Klarheit vorgetragen.
“Man kann nichts wirklich für immer festhalten“, sagt Dacus. Und doch versucht sie es. Forever Is A Feeling ist ein Album über genau diesen Versuch: das Flüchtige in Songs zu gießen, das Unaussprechliche mit Musik zu umarmen. Dabei helfen Freund*innen wie Phoebe Bridgers, Julien Baker oder Hozier, der auf Bullseye mit Dacus im Duett durch ein aufgeladenes Klangbild aus Folk und Cinemascope-Gitarren wandert. In Talk, Modigliani oder dem Titeltrack Forever Is A Feeling verdichten sich intime Gedanken über Verlust und Sehnsucht zu kunstvoll arrangierten Indie-Hymnen mit orchestraler Tiefe.
Besonders der Closer Lost Time ist ein würdiger Abschluss für ein Album, das sich mit Erinnerung, Verwandlung und den Ruinen vergangener Leben beschäftigt. Hier geht es nicht mehr um Abschied, sondern um Annahme – “’Cause I love you, and every day / That I knew and didn’t say / Is lost time / Knocking down your door /‚Cause I’m trying to make up for lost time.”
Lucy Dacus gelingt mit Forever Is A Feeling ihr vielleicht vielschichtigstes Werk: reif, mutig, zärtlich. Eine poetische Sammlung über das, was bleibt, wenn alles vergeht.
Lucy Dacus – Forever Is a Feeling
VÖ: 28. März 2025, Geffen Records
www.lucydac.us
www.facebook.com/lucy.dacus
Lucy Dacus live:
18.06.25 Berlin, Astra
19.06.25 Berlin, Astra – ausverkauft
21.06.25 Neuhaus ob Eck, Southside Festival
22.06.25 Scheeßel, Hurricane Festival
