NOSFERATU – DER UNTOTE – Filmkritik


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Come to me.

(Ellen Hutter – Nosferatu)

Ein aufstrebender, junger Makler (Nicholas Hoult) macht sich entgegen der Warnungen seiner Ehefrau Ellen (Lily-Rose Depp) auf den Weg in das entfernte Transsylvanien, um einem mysteriösen Grafen (Bill Skarsgard) eine verfallende Immobilie zu vermitteln. Dort angekommen, entpuppt sich der Graf als Vampir, der anstelle des Maklers zurückkehrt und die verlassene Frau von eben diesem heimsucht.

Obgleich mittlerweile nicht nur versierte Cineasten Bescheid wissen, dass, entgegen der Erwartung, der Name des Grafen nicht Dracula sondern Orlok ist, soll auch dieser filmhistorische Hintergrund hier kurz aufgearbeitet werden. F.W. Murnau fehlten 1922, als er den Originalfilm Nosferatu, eine Symphonie des Grauens drehte, schlicht die Rechte an dem Dracula Roman von Bram Stoker. Die Regulierungen des Copyright wie auch die Filmbranche im Allgemeinen waren damals noch in den Kinderschuhen und ein Austausch der Namen sollte ja genügen um Konflikte oder zumindest eine rechtliche Handhabe zu vermeiden. Zunächst funktionierte dies jedoch nicht, der Vertrieb wurde untersagt und fast alle Kopien von Nosferatu vernichtet. Einige wenige überlebten jedoch und somit ist dieser expressionistische Stummfilm zu Recht einer der Klassiker des Horrorgenres. Und wie es sich für einen solchen Klassiker gehört, gibt es auch hier bereits Remakes (besonders hervorzuheben hier die 1979er Version von Regisseur Werner Herzog), Fortsetzungen (unter anderem der abgedrehte Nosferatu in Venice von 1988, mit Klaus Kinski) und abstruse Ableger (wie zum Beispiel Shadow of the Vampire aus dem Jahre 2000, eine fiktive Doku über die Dreharbeiten am Original Nosferatu, in der ausgerechnet Willem Dafoe den angeblich realen Vampir Orlok spielt). Für den Moment genügt es aber zu wissen, dass Parallelen zu Dracula ebenso unvermeidlich sind, wie gewisse Abweichungen von eben diesem Ursprungsmaterial.

Fest steht, dass sowohl der Originalfilm als auch das bekannteste Remake von 1979 den Mythos hinter Draculas Geschichte ernster nehmen und realistischer darstellen als dies in den meisten Dracula-Filmen und vielleicht sogar dem Roman der Fall ist. Und so ist es wenig überraschend, dass sich Robert Eggers, bekannt für klassische Themen, extremen Realismus und Authentizität, wie auch seinen Hang die dunkelsten Seiten der Menschheit zu ergründen, seit jeher für eine Neuinterpretation von eben diesem Film begeisterte. Das Ergebnis ist, ebenso wenig überraschend, besonders für Kenner seiner Werke (The Witch (2015), The Lighthouse (2019) und The Northman (2022)) ein sehr düsterer, ernster, psychologisch tiefer Horrorfilm. Ein Film, der, auch wenn es das Marketing verständlicherweise zu verschleiern versuchte, eigentlich nichts mit einem Mainstream Horrorfilm zu tun hat und somit in der öffentlichen Kritik von Anhängern eben dieser ein Stück weit abgestraft wurde. Dass für das Heimkino nun sogar eine um 3,5 Minuten erweiterte Fassung bereitgestellt wurde, ist ein Grund zur Freude für alle Fans des Films und Regisseurs und ein klarer Kaufgrund für diese. Allen, denen der Film im Kino nicht gefallen hat oder die mit dieser Art des Films nichts anfangen können, wird die längere Laufzeit jedoch keinen Mehrwert bieten. An sieben Stellen des Films werden Kamerafahrten und Diskussionen behutsam erweitert und schaffen tatsächlich noch ein wenig mehr Tiefe und Stimmung. Grundsätzliches ändert sich der Film dadurch jedoch nicht.

Nach wie vor umgarnt und zitiert Robert Eggers liebevoll Original und Remake und erschafft dabei etwas gänzlich neues. Wesentlich zugänglicher als seine bisherigen Filme und dennoch, wie erwähnt, dem Mainstream weit entrückt. Obgleich Nicholas Hoult brilliert (in der Geschichte des Films hat kaum jemand so viel Angst gehabt wie sein Thomas Hutter) und erneut Hauptdarsteller-Qualitäten beweist, ist es Lily-Rose Depp, die alle anderen an die Wand und deren Ellen Hutter generell die erste Geige in dieser wunderschönen Gothic-Horror Arie spielt. So entrückt Eggers Nosferatu damit auch endgültig aus dem Schatten Draculas und fokussiert sich fast gänzlich auf die Parabel auf unterdrückte weibliche Sexualität und Befreiung eben dieser. Tapfere Vampirjäger unter der Führung von Van Helsing sucht man hier jedenfalls vergeblich. Diese Änderungen, gemeinsam mit der unglaublichen Selbstdisziplin kaum Szenen des ikonischen Originals eins zu eins zu kopieren, sind es dann auch, die dem Film obgleich seiner Authentizität mit Nachdruck neues Leben einhauchen.

Auch ohne Kopien der Bilder von 1922 sind es dennoch Schnitt, Kamera und Beleuchtung, die den Film zum perfekt auf Celluloid gebannten Alptraum werden lassen. Vermutlich wie in seinen anderen drei Filmen erneut nahezu ohne digitale Unterstützung bannt, nein, ziehen Robert Eggers und seine Crew den Zuschauer wie Graf Orlok seine Opfer in ihren Bann und lassen euch nicht mehr entkommen aus einer Welt, die so sehr ihrer Farbe beraubt wurde, dass ihr zwischenzeitlich nicht sicher sein werdet, ob nicht doch alles bisher gesehene kalt und schwarz-weiß war. So lange, bis dann doch wieder irgendwo eine Fackel, etwas Licht, ein Schimmer der Hoffnung auftaucht. In einer Zeit, in der immer wieder alle schreien, dass sie genug von Remakes, Fortsetzungen und Neuinterpretationen haben (und diese dennoch konsumieren), ist es das X-te Remake einer unautorisierten Romanverfilmung, das sich frischer und neuer denn je anfühlt, ohne ihr Erbe zu vergessen und sich dabei schaurig schön wie die Werke von Shirley Jackson, Emily Brontë oder Angela Carter anfühlt.

Nosferatu (USA 2024)
Regie: Robert Eggers
Darsteller: Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult, Bill Skarsgard, Aaron Taylor Johnson, Willem Dafoe, Emma Corrin
Heimkino VÖ: 03. April 2025, Universal Pictures Germany GmbH

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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