Foto-© Jim Fuller
I kissed a girl
I played some sports
I punched a friend
And learnt remorse
I tied my tie
Then died my hair
It wasn’t much
But I didn’t care
And I smoked my smokes
And dropped my yokes
I had a friend I liked the most
Got a nine to five and lost my mind
It’s the same old shit a thousand times
(Somebody’s Child – Time Of My Life)
Was tun mit dem Indie Pop der 2010er Jahre? Diesem sturen Genre, das einfach nicht verschwindet, auch wenn sein Peak lang vorbei ist? Genießen und Ausschau nach den kleinen Abbiegungen und Überraschungen halten, die ab und an um die Ecke kommen, das ist die Devise. Sei es aus Nostalgie oder Liebe. Denn noch immer gibt es leidenschaftliche junge Projekte, die sich dem sanften und reflektierten Indie in klassischer Bandbesetzung verschreiben. So wie Somebody’s Child, das Projekt von Cian Godfrey aus Dublin. Der Ire machte zuerst mit seiner EP 20-Something (2020) auf sich aufmerksam, vor allem mit dem Song We Could Start a War, einem catchy (und nicht besonders einfallsreichen) Stück Radiorock.
Dass Somebody’s Child noch auf der Suche nach dem eigenen Stil ist, zeigte sich auch auf dem gleichnamigen Debütalbum von 2023. Erste klarere Antworten gibt es nun auf der neuen LP When Youth Fades Away. Auf elf Tracks über das Älterwerden (eines nun ehemaligen „20-Somethings“) klingt Cian Godfrey konsequent verletzlich und nachdenklich, wechselnd vor passender zurückhaltender Instrumentation oder auch mal vor allzu einstudierter Ohrwurm-Indie-Kulisse. Diese Kombination, zusammen mit der brüchigen Stimme Godfreys erzwingt immer wieder The National Vergleiche, und es ist kein Zufall, dass sich mit Produzent Peter Katis ein Co-Architekt von fast allen The National Platten verantwortlich zeichnet. Und meistens ist das etwas Positives: Der Opener The Kid wird getragen von hellen Klängen und lässt sich nicht nur im tollen Intro-Teil reichlich Zeit, um den nostalgisch-feierlichen Ton für das Album zu setzen.
Gleich der zweite Track, Last Night I Held Your Hand, zeigt aber, wie leicht man beim Balanceact mit den gewohnten Indie-Tropen auf die Kitschseite kippt. Die Lyrics passen zwar zum Thema, bleiben aber oberflächlich („I thought my youth was over, … now I feel myself get older“). Und musikalisch passiert…wenig. Der Schmusesong ist höchstens etwas für Mumford & Sons Liebhaber. Überhaupt sind die als Hits angelegten Stücke fast durchweg schlechter als die Deep Cuts des Albums. Oder positiv formuliert: Der gesuchte eigene Stil offenbart sich erst in der ganzen Breite und zeigt dort viel Gefühl und Potenzial. Der Titelsong When Youth Fades Away und das darauffolgende Interlude New Orleans schaffen zum Beispiel eine eigene Atmosphäre, in der sich zweifelnde Rückblicke auf die Jugend mit einem sanftmütigen Blick auf die Zukunft, begleitet immer von dezenten Synthesizern, mischen. „I was a child all my life, supposed to sign on the dotted line” blickt Godfrey auf New Orleans zurück.
Machtlosigkeit bleibt zusammen mit der Suche nach Geborgenheit eines der zentralen Motive beim Singen über das Dreißig-Werden. Sei es auf dem eingängigen My Mind Is On Fire oder dem zuversichtlichen Life Will Go On. Der Aufbau ist jeweils sehr formelhaft, und in der Formel versteckt sich immer mal ein schöner Moment. Ebenfalls versteckt im letzten Drittel ist der vielleicht beste Song des Albums, The Waterside. Der stimmungsvolle „Change of Pace“ wirkt reif und überlegt, das einfache Gitarrensolo zum Ende sitzt. Daneben ist Porcelain (Losing All My Patience) ein Highlight, ebenfalls aufgrund der Authentizität, die es ausstrahlt. Mit „I have found the very nature of myself, now I’m 29 I think about my health” steigt Godfrey ein, und die Reflexion mündet in einem einfachen, aber schönen Pop-Refrain, der es mit der Soundtrack-Attitüde mal nicht übertreibt.
Zum Schluss gibt es eine echte Überraschung. Der Closer Time Of My Life vereint viele der guten und der ärgerlichen Elemente des Albums: ein zunächst sehr einfach geschichteter Aufbau, catchy kleine Melodien, Zeilen zwischen aufrichtig und kitschig. Doch dann mündet der Song in einem beinahe epischen Monolog, der aus einer Reihe von gewöhnlichen Erinnerungen und Binsenweisheiten eine rohe Offenbarung macht. Ein starkes Ende.
Berühren kann die Musik von Somebody’s Child, und in einer etwas besser gelaunten The National Variante mit einfacheren Spannungsbögen liegt durchaus eine charmante Marktlücke. Die geschliffenere Produktion tut Cian Godfreys Songs in jedem Fall gut, genauso wie der Fokus, den er auf diesem zweiten Album legt. Auf die eigene markante Stimme, auf ein Thema und auf die Entwicklung des eigenen Sounds. Vielleicht steckt ja doch noch etwas mehr im Indie Pop als Nostalgie. Album Nummer drei kann den Beweis versuchen.
Somebody’s Child – When Youth Fades Away
VÖ: 28. März 2025, Frenchkiss Records
www.somebodyschildmusic.com
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