Foto-© Capelight Pictures
What if we’re not good enough?
(Mia – The Assessment)
Die Ressourcen sind extrem knapp in der nicht allzu fernen Zukunft, weshalb natürliche Reproduktion verboten und künstliche sehr restriktiv gehandhabt wird. Paare müssen sich einer 7-tägigen Beurteilung (dem titelgebenden Assessment) unterziehen, um eine der seltenen Genehmigungen zu erhalten. Genau dies streben Mia (Elizabeth Olsen) und Aaryan (Himesh Patel) an. Konkrete Kriterien und der Prozess der Beurteilung sind geheim, einzig, dass Prüferin Virginia (Alicia Vikander) sieben Tage bei ihnen zu Hause einziehen, fast jede Minute mit ihnen verbringen und am Ende ein finales und unumstößliches Urteil treffen wird, ist klar.
Es braucht nicht viel, um zu erkennen, dass The Assessment ein Arthouse-Film mit Botschaft und viel Potential zur Provokation ist. Manche werden vielleicht sogar dazu geneigt sein, den Film als ähnlich zehrenden, wenn auch „nur“ zwei Stunden, anstatt sieben Tage dauernden Test anzusehen. Wer diesen auf jeden Fall besteht, und das sei vorangestellt, sind die drei Schauspieler*innen. Wobei Olsen und Patel facettenreich und naturalistisch spielen, ist es dennoch Alicia Vikander, die hier eine dieser oft zitierten lebenslangen Bestleistungen abliefert. An jedem der sieben Tage, die eindeutig durch eingeblendete Texttafeln voneinander getrennt sind, wechselt ihre Persona hin zu absoluten Extremen und wird ein ums andere Mal komplett überzeugend von Vikander verkörpert. Wobei es nicht bar einer gewissen Ironie ist, dass Vikander, die hier absolut überzeugend eine der Hüterinnen der Fortpflanzung darstellt, selbst eines der IVF-Babys, geboren in Schweden ist. Den erfahrenen Schauspieler*innen gegenüber steht Fleur Fortune, eine aus London stammende Filmschaffende, die hier in einer sehr europäischen Produktion ihr imposantes Regiedebüt abliefert. Wie üblich bei Debütfilmen, eine für sie sehr persönliche Geschichte. Sie selbst versuchte Jahre lang, erfolglos, auch durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden. Die Arbeiten an dem Drehbuch zogen sich dann jedoch so lange hin, dass sie am Ende eine anderthalbjährige Tochter hatte, bis der Dreh begann.
Der Film selbst ist eine Art Kammerspiel. Wir sind zwar nicht auf einen Raum beschränkt, aber nahezu über die komplette Laufzeit auf die Wohnung, das Gewächshaus und die unwirkliche Umgebung um das sonnendurchflutete, aber bescheidene abgelegene Anwesen der kleinen Familie (gedreht auf Teneriffa). Gemeinsam mit dem Pärchen stellen wir uns der unmöglichen Frage, was es bedeutet, bereit oder vielmehr tauglich zu sein als Eltern. Was man bereit ist aufzugeben als Individuum, aber auch was wir als Gesellschaft unter Umständen aufgeben müssen, für das Privileg Kinder zu haben und ihnen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Fortune hat in Interviews klar gesagt, dass der Film keine Antworten vorgeben soll, ebenso aber, dass sie der Meinung ist, dass wir uns als Gesellschaft einschränken und weniger selbstsüchtig werden müssen für unsere Kinder – und dies auch, aber nicht nur in Bezug auf Umweltprobleme.
So stellt der Film zwar mehr Fragen als er Antworten gibt, aber trifft auch Aussagen, von denen manche vor den Kopf gestoßen werden. Sci-Fi-Puristen seien noch gewarnt, der Fokus ist klar auf den Figuren und nicht auf einer schlüssigen, komplett zu Ende gedachten Zukunftsvision. Auch der Plot muss sich hier ein wenig der beeindruckenden Schauspielkunst und den zentralen Botschaften unterordnen – und leider auch ein wenig der Spaß und die Unterhaltung. Am Ende ist The Assessment somit ein Werk, das uneingeschränkt nur denen empfohlen werden kann, die Lust haben sich aktiv mit den tiefgründigen Themen des Films auseinanderzusetzen und auch kontroverse Meinungen in ihrem Diskurs zulassen.
The Assessment (DE 2024)
Regie: Fleur Fortune
Darsteller: Alicia Vikander, Elizabeth Olsen, Himesh Patel
Kinostart: 3. April 2025, Capelight Pictures
